Höhenangst?
Schwindelfrei im Ballon mitfahren? O.K., wir schwindeln alle mal, mal mehr – mal weniger. Aber dass man im Heißluftballon als Passagier schwindelfrei sein muss, ist so nicht richtig.
Viele Interessierte, die selbst Ballon fahren oder eine Ballonfahrt verschenken möchten, fragen oftmals nach, ob Mann/Frau denn schwindelfrei sein muss. Oder Mann/Frau sagt: „Mich kriegt da keiner rein! Ich habe Höhenangst, mit wird schwindlig.“ Um diese Frage ausreichend zu beantworten, muss man versuchen, die Einflüsse zu analysieren, die zu einem solchen angesprochenen Schwindelgefühl führen, dass man dann als Höhenangst deklariert.
Auf Rückfrage bestätigen die Verunsicherten oft, dass sie Probleme haben, sich auf hohen Gebäuden, Türmen zu bewegen, an Berghängen zu gehen bzw. sich am Rand von Gebäuden der schönen Aussicht zu erfreuen. Oftmals komme noch hinzu, dass die Personen zusätzlich extrem verunsichert werden, wenn die nach oben führenden Treppen teilweise nach unten „durchblickbar“ sind.
Bleiben wir gleich bei Gebäuden, um das Phänomen „Schwindel“ zu ergründen. Viele von Ihnen haben schon einmal Fotos von Hochhäusern gesehen. Die Häuser sind so hoch, dass man mit einem Normalobjektiv nur einen Teil des Gebäudes aufnehmen könnte; diese Wolkenkratzer kann man daher nur mit einem Weitwinkelobjektiv aufnehmen.
Aufgrund der starken Krümmung des Weitwinkelobjektives wird die gesamte Höhe des Gebäudes dargestellt, aber dabei entstehen erhebliche Verzerrungen.
Genauer betrachtet erkennt man dann auf einem Foto, dass die Perspektive des Gebäudes so dargestellt wird, dass der untere Bereich des Gebäudes breiter aussieht als der obere Teil. Alle wissen aber, dass dieses Gebäude in der Wirklichkeit oben und unten die gleichen Dimensionen hat.
In der Fotografie nennt man dieses Darstellungsproblem stürzende Linien. Für den Betrachter der Bilder sieht es so aus, als wenn das Gebäude nach hinten wegkippt. Stellt man sich und eine Kamera jetzt oben auf das Gebäude, entsteht ein umgekehrter Effekt.
Das Gebäude wirkt von oben nach unten hin gesehen schmaler und kippt nach innen weg. Eine Kamera würde diesen Effekt genauso ablichten, denn auch hier besteht das Problem der stürzenden, verschobenen Linien.
Das menschliche Auge – in der Natur das größte Weitwinkelobjektiv – sieht in diesem Moment genauso wie ein Kameraobjektiv. Also empfindet ein Mensch diese Verzerrungen ebenso. Im Gegensatz zur Kamera, die einfach dieses Bild erkennt und ablichtet, ohne sich von den Verzerrungen irritieren zu lassen oder gar versucht, diese Fehldarstellung zu korrigieren, reagiert beim Menschen nun das Auge in Zusammenarbeit mit dem Gehirn.
Stellen wir uns folgende Vorgänge und die daraus resultierende Zwiesprache vor, die jetzt in Sekundenbruchteilen ablaufen:
Das Auge zeigt im ersten Moment die oben beschriebenen Verzerrungen auf und erinnert sich dann, dass das Haus in Wirklichkeit nicht verzerrt, sondern exakt senkrecht/gerade ist. Das Auge versucht daher durch Veränderung seiner Brennweite den Originalzustand darzustellen.
Durch die Verschiebung der Brennweite verursacht das Auge eine Verschiebung der Lageposition der Person, die auf diesem Gebäude steht. Die Perspektive des Gebäudes steht jetzt wieder senkrecht, aber die Person kippt immer mehr nach hinten. Denken wir an Otto Waalkes: Achtung Leber, jetzt kommt ein Bier.
Das Gleichgewichtssystem des Menschen schaltet sich jetzt ein und warnt davor, dass die Person jetzt nach hinten wegkippt, wenn die Optik nicht wieder zurückschaltet. Zumindest so weit, dass keine weitere Irritation durch Schräglage entsteht.
Daraufhin schaltet das Auge in kleineren Schritten fokussierend vor und zurück, um die bestmögliche realistische Darstellung und den geringsten Störeffekt durch Kippen der Person zu erreichen. Die Person empfindet dies so, als wenn sie nach vorn und zurück schwankt. Weil dieser Vorgang nur Sekundenbruchteile dauert, ist dies umso unangenehmer. Setzt man sich hin oder hält sich fest, wird dieser Vorgang sofort unterbrochen.
Gehen wir jetzt direkt zum Ballonfahren hinüber. Die Brüstungshöhe des Ballonkorbes, in dem der Passagier während der Fahrt steht, liegt zwischen 1,1 m und 1,2 m. Schaut man an dieser Kante entlang nach unten, stellt man fest, dass in der Verlängerung keine verbundene Linie zum Boden weiter läuft. Gleichzeitig ist diese geringe Länge der Korbhöhe, im Vergleich zu einem Haus, niemals so lang, dass sie als kippend empfunden werden kann.
Der vorher beschriebene Effekt, der auf einem Hochhaus, Turm oder Abhang entsteht, hat im Ballonkorb keine Chance auf Entwicklung. Somit besteht kein Grund, eine Ballonfahrt auszulassen.
Diese Erklärungen sind mit Ärzten und Fotografen im Detail diskutiert worden und als richtig bestätigt worden.